InkluBE – Inklusionserfahrungen, -wünsche und Bedarfe von Eltern in Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Eingliederungshilfe

Autor:innen: Katharina Metzner, Daniel Kieslinger, Judith Owsianowski, Florian Rück, Wolfgang Schröer

Herausgeber: BVKE, EREV, Inklusion jetzt!

https://doi.org/10.54953/MKOR2301


Ausgangspunkt dieser Befragung ist das bundesweit angelegte Modellprojekt „Inklusion jetzt – Entwicklung von Konzepten für die Praxis”, welches erstmals systematisch und über einen längeren Zeitraum die Erfordernisse einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe mit dem Schwerpunkt der Erziehungshilfen in den Fokus nimmt. In gemeinsamer Verantwortung der beiden konfessionellen Erziehungshilfefachverbände, dem Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe (BVkE) und dem Evangelischen Erziehungsverband (EREV), werden in einem vierjährigen Modellprozess zusammen mit 61 Einrichtungen der Erziehungs- und Eingliederungshilfe, ihren Fachkräften und Adressat*innen inklusive Konzepte für die Leistungserbringung sowie die organisationale Weiterentwicklung erarbeitet und erprobt. Das Projekt wird gefördert von der Aktion Mensch Stiftung und wissenschaftlich begleitet durch das Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim. Im Rahmen des Modellprojekts „Inklusion jetzt!“ soll die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe auf dem Weg zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfepraxis unterstützt werden. Dabei ist es besonders wichtig, die Meinungen und Positionen der Eltern der jungen Menschen einzuholen. Anhand dessen sollen weitere Perspektiven für eine inklusive Erziehungshilfepraxis herausgearbeitet werden.

Katharina Metzner/Daniel Kieslinger/Judith Owsianowski/Florian Rück/Wolfgang Schröer: InkluBE – Inklusionserfahrungen, -wünsche und Bedarfe von Eltern in Einrichtungen der Kinder-, Jugend- und Eingliederungshilfe. Eine Befragung im Rahmen des Modellprojekts „Inklusion jetzt!“. Herausgegeben von BVkE, EREV, Inklusion jetzt!

Inhaltsverzeichnis

1.     Der Rahmen – das Modellprojekt „Inklusion jetzt!“ 4

2.     Fokus der Elternbefragung: Zufriedenheit, Wünsche und Bedarfe von Eltern hinsichtlich der Angebote und Zusammenarbeit mit der Kinder-, Jugend- und Eingliederungshilfe. 4

3.     Wer hat teilgenommen? Ein Überblick über das Sample der Erhebung. 6

4.     Ein Blick auf den Status Quo. 7

4.1       Von der Zufriedenheit mit der Hilfe über die Passgenauigkeit bis hin zur Zusammenarbeit 8

4.2       Fragen zu den Hilfezielen, Hilfeplangesprächen und der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt 11

4.3       Elternselbstvertretungen – ein bisher kaum bis gar nicht organisiertes Beteiligungsformat!?  12

4.4       Inklusion – Ein positiver Begriff für Eltern?. 15

4.5       Auswertungen Freitextfeld. 17

5.    Fazit – Inklusive Erziehungshilfen brauchen eine Verantwortungsgemeinschaft hinsichtlich der Wahrnehmung und Umsetzung gesetzlicher Ansprüche, sowie gezielte Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen. 20

Literaturverzeichnis. 22

 

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: In Anspruch genommene Hilfen (Mehrfachantworten n=69) 7

Abbildung 2: Zufriedenheit mit der Hilfe, der Passgenauigkeit und
der Zusammenarbeit Teil I 8

Abbildung 3: Zufriedenheit mit der Hilfe, der Passgenauigkeit und
der Zusammenarbeit Teil II 10

Abbildung 4: Zufriedenheit mit der Hilfe, der Passgenauigkeit und
der Zusammenarbeit Teil III 10

Abbildung 5: Sicht der Eltern auf Hilfen Teil I 11

Abbildung 6: Sicht der Eltern auf Hilfen Teil II 12

Abbildung 7: Elternselbstvertretungen Teil I 14

Abbildung 8: Elternselbstvertretungen Teil II 14

Abbildung 9: Inklusion (n=63) 16

Abbildung 10: Sicht der Eltern auf Inklusion Teil I 16

Abbildung 11: Sicht der Eltern auf Inklusion Teil II 17

 

1.   Der Rahmen – das Modellprojekt „Inklusion jetzt!“
Ausgangspunkt dieser Befragung ist das bundesweit angelegte Modellprojekt „Inklusion jetzt – Entwicklung von Konzepten für die Praxis”, welches erstmals systematisch und über einen längeren Zeitraum die Erfordernisse einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe mit dem Schwerpunkt der Erziehungshilfen in den Fokus nimmt. In gemeinsamer Verantwortung der beiden konfessionellen Erziehungshilfefachverbände, dem Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe (BVkE) und dem Evangelischen Erziehungsverband (EREV), werden in einem vierjährigen Modellprozess zusammen mit 61 Einrichtungen der Erziehungs- und Eingliederungshilfe, ihren Fachkräften und Adressat*innen inklusive Konzepte für die Leistungserbringung sowie die organisationale Weiterentwicklung erarbeitet und erprobt. Das Projekt wird gefördert von der Aktion Mensch Stiftung und wissenschaftlich begleitet durch das Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim. Im Rahmen des Modellprojekts „Inklusion jetzt!“ soll die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe auf dem Weg zu einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfepraxis unterstützt werden. Dabei ist es besonders wichtig, die Meinungen und Positionen der Eltern der jungen Menschen einzuholen. Anhand dessen sollen weitere Perspektiven für eine inklusive Erziehungshilfepraxis herausgearbeitet werden.

Definition Eltern:

Innerhalb dieses Datenhandbuchs wird von Elternbefragung und Eltern gesprochen. Auf die Frage „In welchem Verhältnis stehen Sie zu dem jungen Menschen in der Einrichtung?“ hatten die Befragten die Möglichkeit zwischen Mutter, Vater, andere Verwandte, Freunde, Vormund oder Sonstiges zu wählen. Da es sich bei 73% (n=50) der Befragten um die Eltern des jungen Menschen handelt, wurde dieser Begriff zur Umschreibung der Zielgruppe im gesamten Text verwendet, schließt aber alle denkbaren Konstellationen von Hauptbezugspersonen mit ein.
 

2.   Fokus der Elternbefragung: Zufriedenheit, Wünsche und Bedarfe von Eltern hinsichtlich der Angebote und Zusammenarbeit mit der Kinder-, Jugend- und Eingliederungshilfe
Vor dem weiten im Modellprojekt implementierten Inklusionsverständnis (vgl. Hollweg & Kieslinger 2021, S. 14), kommt dem Willen, den Bedarfen und den Bedürfnissen der Adressat*innen inklusiver Leistungserbringung besondere Aufmerksamkeit zu.  Hierbei wird die Arbeit mit Eltern und Angehörigen als ein wesentliches Element des Inklusionsverständnisses gesehen, da sich Partizipation nicht ausschließlich auf die jungen Menschen, sondern auch auf die Eltern bezieht.

Deshalb war es den Projektverantwortlichen und allen Beteiligten besonders wichtig, das Thema innerhalb eines – von insgesamt sieben – Praxisworkshops in den Fokus zu stellen und die Meinungen und Positionen der Eltern der jungen Menschen im Rahmen einer Online-Befragung zu erfassen.

Die bisherigen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Modellstandorten haben gezeigt, dass Elternarbeit zwar ebenfalls als ein wesentliches Element der inklusiven Leistungserbringung und Gestaltung der inklusiven Erziehungshilfelandschaft verstanden wird, es bisher jedoch kaum aktuelle und inklusive Konzepte hierzu gibt. Diese Erkenntnis spricht eher dafür, dass dieses Thema weder von den Leistungserbringern noch von den öffentlichen Trägern prioritär bearbeitet und der Fokus derzeit auf andere Themen gelegt wird.

Umso wichtiger war es den Projektverantwortlichen, der wissenschaftlichen Begleitung und allen an der Konzipierung der Elternbefragung beteiligten Personen, die Perspektiven der Eltern zu erfassen.

Das vorliegende Datenhandbuch nimmt sich dieser Aufgabe an, indem es die Ergebnisse der Elternbefragung in Bezug auf die Zufriedenheit, Wünsche und Bedarfe von Eltern – hinsichtlich der Angebote und der Zusammenarbeit mit der Kinder-, Jugend- und Eingliederungshilfe – vorstellt.

Die Ergebnisse sollen systematisch in die Weiterentwicklung der zuvor genannten Einrichtungen und das Modellprojekt „Inklusion jetzt!“ einfließen.

Der Fokus der Befragung lag hierbei auf folgenden Themenschwerpunkten:

ü  Es sollte zum einen erhoben werden, wie zufrieden die Eltern mit der Hilfe, deren Passgenauigkeit und der Zusammenarbeit mit den Kinder-, Jugend- und Eingliederungshilfeeinrichtungen sind;

ü  Zum anderen zielte die Erhebung darauf ab, das Thema Elternselbstvertretungen in den Blick zu nehmen, sowie das Inklusionsverständnis der Befragten zu erfassen;

ü  Die Freitextfelder sollten den Fokus verstärken und die konkreten Wünsche und Bedarfe, im Hinblick auf die Hilfe und die Zusammenarbeit mit den Einrichtungen, hervorheben; 

ü  Aus den Erkenntnissen sollen sowohl Impulse für eine inklusive Eltern- und Angehörigenarbeit, als auch für den weiteren Projektverlauf gewonnen werden.

Insgesamt gab es innerhalb des Fragebogens 4 Fragen zur Soziodemografie, 5 Frageblocks zur Bewertung unterschiedlicher Aussagen und 4 Freitextfelder. Um möglichst viele Eltern zu erreichen, wurde die Befragung online durchgeführt. Die Online-Befragung fand von September 2022 bis Dezember 2022 statt.

Der Fragebogen wurde in einem ersten Schritt durch die wissenschaftliche Begleitung in Zusammenarbeit mit der Projektleitung entwickelt. Hierbei waren die Anforderungen durch das KJSG an Inklusion in der Kinder- und Jugendhilfe im Hinblick auf Adressat*innenorientierung leitend. Durch verschiedene Pretests, welche sowohl mit Fachkräften als auch mit Eltern durchgeführt wurden, konnte der Fragebogen auf die entsprechende Zielgruppe angepasst werden.

Die Zielgruppe der Befragung bildeten die Eltern bzw. die dementsprechend definierten Bezugspersonen der jungen Menschen (siehe Abschnitt 1, S. 4), welche die Einrichtungen der Erziehungshilfe- und Eingliederungshilfe besuchen.

Befragt wurden sowohl Eltern, deren Kinder in beteiligten Modelleinrichtungen leben, als auch Eltern, deren Einrichtungen sich nicht am Modellprojekt beteiligen, aber Mitglied in den Verbänden BVkE oder EREV sind. Eine Reduzierung allein auf die beteiligten Modellstandorte erschien vor dem Hintergrund des Erhebungsinteresses nicht notwendig.

Für alle Elternteile war die Teilnahme an der Online-Befragung freiwillig. Die Befragung wurde anonym durchgeführt.

 

3.   Wer hat teilgenommen? Ein Überblick über das Sample der Erhebung
Durch den Versand des Fragebogens an die genannten Einrichtungen konnten insgesamt 138 Personen erreicht werden, welche an der Online-Befragung teilnahmen. Dabei wurde mehrfach direkt auf beteiligte Projekteinrichtungen zugegangen, um eine entsprechende Teilnahme zu erreichen. Die Bereinigung des Datensatzes umfasste die Auswahlkriterien, dass mindestens 80% des Fragebogens ausgefüllt sein mussten und mehr als nur die Soziodemografischen Daten beantwortet wurden.  Der bereinigte Datensatz bezieht sich auf 70 ausgefüllte Fragebögen, die in die vorliegende Auswertung einfließen.

Von den insgesamt 70 Fragebögen sind 57% (n=39) der Befragten die Mutter und 16% (n=11) der Vater, sodass es sich hierbei mit insgesamt 73% (n=50) insbesondere um die Eltern des jungen Menschen handelt. Bei den restlichen 27% (n=20) handelt es sich um Sonstiges (n=10), Vormünder (n=6), Freunde (n=2) und andere Verwandte (n=2).

Die Befragung hat bundesweit stattgefunden, konzentriert sich mit 51% (n=35) jedoch auf das Bundesland Nordrhein-Westfalen. Ähnlich zu den Ergebnissen in der Befragung InkluMa – Inklusion durch Mitarbeitende (2021) lässt sich auch in dieser Befragung feststellen, dass der geringste vertretene Teil aus den Bundesländern im Nord-Osten Deutschlands stammt und tendenziell die Verortung der im Projekt „Inklusion jetzt!“ beteiligten Modellstandorte widerspiegelt (vgl. Hollweg et al. 2021, S. 5). Neben Nordrhein-Westfalen waren Rheinland-Pfalz und Bayern mit je sieben Teilnehmenden, die am zweitmeisten vertretenen Bundesländer in der Elternbefragung. In den Bundesländern Berlin, Hessen und Niedersachsen leben je fünf Teilnehmende der Befragung.

Der größte Anteil der Befragten hat seit 0 bis 2 Jahren Kontakt mit der Einrichtung (n=45 bzw. 65%), 13 Personen (bzw. 19%) haben länger als 2 bis 6 Jahre und 11 Personen (bzw. 16%) haben länger als 6 Jahre Kontakt.

Auf die Frage, „Welches Angebot der junge Mensch aus der Familie angeboten bekommt“, hatten die Befragten die Möglichkeit mehrere Antworten auszuwählen. Hierbei wird deutlich, dass die meisten Personen mehrere Hilfen gleichzeitig erhalten (Æ 2), in den meisten Fällen handelt es sich jedoch um Beratungen (n=30) oder um Wohngruppen (n=27). Darüber hinaus werden Angebote der Familienhilfe (n=17), der Schulsozialarbeit (n=12) oder der Tagesgruppen wahrgenommen (n=10).

 

Abbildung 1: In Anspruch genommene Hilfen (Mehrfachantworten n=69)

 

4.   Ein Blick auf den Status Quo
Adressat*innenbeteiligung stellt einen gewichtigen Faktor dar, damit Hilfeverläufe erfolgreich sind und sozialstaatliche Leistungen ihre Wirkung entfalten können. Dabei ist für das Feld der Hilfen zur Erziehung zu konstatieren, dass die Partizipation von Eltern konzeptionell und methodisch noch zu wenig ausgeprägt sind (vgl. Knuth 2022, 192). Entscheidend ist dabei im Hilfeverlauf, zu welchem Zeitpunkt Eltern in die Leistungserbringung einbezogen werden, aber auch wie die bestehenden Machtasymmetrien zwischen Eltern und Professionellen gestaltet werden (vgl. Knuth 2022, S. 196f.). Hinzu kommt, dass Eltern oft nicht wissen, wie sie ihr Recht auf Partizipation (vgl. § 37 SGB VIII) geltend machen können – und sollen (vgl. Knuth 2022, S. 200).

Diese Schwierigkeiten spiegeln sich auch in der vorliegenden Befragung wider. So wird die Hypothese verfolgt, dass es insbesondere im Kontext der Heimerziehung schwierig ist, Eltern für eine quantitative Befragung zu erreichen. Weiterhin ist davon auszugehen, dass nur diejenigen Eltern davon erreicht werden, die grundlegend eine positive Einstellung zu den Leistungserbringern haben, bei denen ihr Kind betreut ist.

So ist der Blick auf den Status Quo aus unserer Sicht immer mit diesen Einschränkungen und damit verbundenen Unschärfen vorzunehmen.

4.1  Von der Zufriedenheit mit der Hilfe über die Passgenauigkeit bis hin zur Zusammenarbeit
An dieser Stelle soll zunächst kurz auf die Struktur der Befragung sowie die Auswertungsdarstellung eingegangen werden, um das vorliegende Datenhandbuch besser nachvollziehen zu können.

Insgesamt gab es 4 Datensätze mit 37 geschlossenen Fragen. Im ersten Teil zielten die dazugehörigen 18 Fragen auf die Zufriedenheit mit der Hilfe über die Passgenauigkeit bis hin zur Zusammenarbeit ab. Die Befragten hatten hierbei die Möglichkeit verschiedene Aussagen nach einer Bewertungsskala von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) zu bewerten (siehe Abb. 2-4). In den folgenden Erläuterungen finden sich grobe Zusammenfassungen der Bewertungsskalen 1 bis 3 (eher zustimmend) und 4 bis 6 (eher nicht zustimmend), um eine Tendenz im Antwortverhalten abzubilden.

Zunächst lässt sich festhalten, dass die Mehrheit der Befragten mit dem Angebot und der Zusammenarbeit mit der Einrichtung eher zufrieden sind (siehe Abb. 2). So stimmen 64 (bzw. 91%) der befragten Personen eher der Aussage zu, dass „Das Angebot gut für unser Kind/den Jugendlichen aus unserer Familie ist“ (siehe Abb. 2). Weitere 69 (bzw. 91%) Personen stimmen eher der Aussage zu „Mir geht es gut, wenn ich mit der Einrichtung Kontakt habe“ (siehe Abb. 2).

 

Abbildung 2: Zufriedenheit mit der Hilfe, der Passgenauigkeit und der Zusammenarbeit Teil I

Erste Bedarfe werden bei den Fragen „Bei Bedarf wird mir eine Sprachmittlung/Übersetzungshilfe (z.B. ein Dolmetschdienst) zur Verfügung gestellt“ und „Ich fühle mich ausreichend über meine Rechte und gesetzlichen Ansprüche informiert“ deutlich, da das Antwortverhalten hier im Gegensatz zu den beiden vorherigen Beispielen heterogener wird (siehe Abb. 3).

Besonders interessant ist diese Skala auch hinsichtlich der gesetzlichen Verankerung und Pflicht zur verständlichen Aufklärung und Beratung im SGB VIII. So regelt bspw. der § 37 Abs. 1 SGB VIII einen individuellen Rechtsanspruch auf Beratung und Unterstützung, sowie Förderung der Beziehung zum Kind bei einer Unterbringung außerhalb der Familie unabhängig von Personensorge und unabhängig von der Rückkehroption. Dieser Rechtsanspruch scheint zwar bei einem Großteil der Befragten eher erfüllt zu werden (n=54 bzw. 79%), jedoch würde fast ein Viertel dieser Aussage eher nicht zustimmen (n=14 bzw. 21%). Dieser Bedarf findet sich zu einem späteren Zeitpunkt auch in den Freitextfeldantworten wieder, was noch einmal unterstreicht, wie wichtig es ist, die Adressat*innen über deren Rechte und gesetzlichen Ansprüche in verständlicher Art und Weise aufzuklären, zu beraten und zu unterstützen (vgl. Abschnitt 4.5).

Noch deutlicher werden die Bedarfe der befragten Personen hinsichtlich der Frage „Ich kann/konnte mir aussuchen, von welcher Einrichtung mein Kind betreut wird“. Wenn hier das Wunsch- und Wahlrecht gem. § 5 SGB VIII zugrunde gelegt wird, stellt sich bei einem Antwortverhalten von 56% (n=37) „eher Zustimmung“ zu 44% (n=29) „eher nicht Zustimmung“ die Frage inwieweit diesem Rechtsanspruch in der Beratung des Jugendamtes Rechnung getragen wird und die Leistungsberechtigten in die Auswahl der Einrichtung mit einbezogen werden. Aus den Erfahrungen in der praktischen Arbeit ist häufiger zu entnehmen, dass z.B. die Bezirkssozialarbeiter*innen für den jungen Menschen oft nicht mehrere Einrichtungen zur Verfügung haben, sondern je nach Bedarf nur eine sehr geringe Platzauswahl angeboten wird. Somit muss oftmals auf das vorhandene Angebot zurückgegriffen werden und dies würde bestätigen, dass die Eltern bzw. Personensorgeberechtigten nur in einem sehr geringen Maße mitentscheiden können. Diesen Befund unterstützen auch Studien von Knuth (2022, S. 196f.).

Eine letzte Skala die an dieser Stelle hervorgehoben werden soll ist die Frage hinsichtlich der „Hilfe bei der eigenen Alltagsgestaltung“ (siehe Abb. 3). Gem. § 37 Abs. 1 SGB VIII sollen „durch Beratung und Unterstützung (…) die Entwicklungs-, Teilhabe- oder Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie (…) so weit verbessert werden, dass sie das Kind oder den Jugendlichen wieder selbst erziehen kann.“ Auch hier stellt sich die Frage, ob diesem Rechtsanspruch seitens der öffentlichen und freien Träger in ausreichendem Maße nachgekommen wird, wenn die Eltern der o.g. Frage mit mehr als einem Drittel (n=20 bzw. 31%) „eher nicht zustimmen“ würden.   

 

Abbildung 3: Zufriedenheit mit der Hilfe, der Passgenauigkeit und der Zusammenarbeit Teil II

 

 

Abbildung 4: Zufriedenheit mit der Hilfe, der Passgenauigkeit und der Zusammenarbeit Teil III

4.2  Fragen zu den Hilfezielen, Hilfeplangesprächen und der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt
Weiterhin gab es insgesamt 7 Fragen hinsichtlich der Hilfeziele, Hilfeplangespräche und der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt.

Bei der Frage „Das Jugendamt ist ein verlässlicher Ansprechpartner“ (siehe Abb. 5) wird das sehr diverse Antwortverhalten der Befragten und die Tendenz von einem „eher zustimmenden“ (n=42 bzw. 63%) zu einem „eher nicht zustimmenden“ Antwortverhalten (n=25 bzw. 37%) deutlich. Besonders interessant wird diese Skala auch im Zusammenhang mit den Freitextfeldantworten, die in Abschnitt 4.5 dargestellt werden.

Positiv hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die „Hilfeziele“ und „Hilfeplangespräche“ für die befragten Personen überwiegend (Æ n=58 bzw. 89%) „nachvollziehbar und verständlich“ gestaltet werden (siehe Abb. 5). Dies spricht wiederum für die These, dass die Zusammenarbeit mit den Trägern als „eher positiv“ empfunden wird (vgl. S. 8). Die Skalen in Abb. 6 untermauern die positive Zusammenarbeit hinsichtlich der Hilfeziele und Hilfeplangespräche noch einmal.

 

Abbildung 5: Sicht der Eltern auf Hilfen Teil I

 

Abbildung 6: Sicht der Eltern auf Hilfen Teil II

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Sicht der Eltern auf die Hilfeziele, Hilfeplangespräche und auf die Zusammenarbeit mit den Trägern überwiegend positiv ist. Das diverse Antwortverhalten hinsichtlich der Frage „Das Jugendamt ist ein verlässlicher Ansprechpartner“ (siehe Abb. 5) wird durch die Antworten in den Freitextfeldern bestätigt. Auch hier findet sich der Wunsch der Eltern nach einer „besseren Erreichbarkeit des Jugendamtes“ und einer „Kontinuität bei den Ansprechpersonen“ (n=10) wieder. Dieser Wunsch impliziert die Notwendigkeit von Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen in den Einrichtungen, da eine Mitarbeiter*innenbindung und -zufriedenheit, die bspw. mit einem niedrigeren Krankenstand und einer geringeren Fluktuationsneigung einhergehen, nur mit strategischer Planung gelingen kann (vgl. Wolf 2013, S. 143).

 

4.3  Elternselbstvertretungen – ein bisher kaum bis gar nicht organisiertes Beteiligungsformat!?
Weitere 6 Fragen beschäftigten sich schwerpunktmäßig mit dem Thema „Elternselbstvertretungen“. Auch hier gab es wieder die Bewertungsskala 1 (voll und ganz) bis 6 (überhaupt nicht) mit der Zusatzmöglichkeit „Weiß ich nicht“ anzukreuzen. Kurz zu erläutern sei an dieser Stelle auch, dass der Begriff „Elternselbstvertretung“ bzw. das Beteiligungsformat nicht gesondert definiert oder erklärt wurde.

Folgend soll eine kurze Einführung in das Thema erfolgen, bevor die Aussagen beispielhaft dargestellt und ausgewertet werden:

Durch die Einführung des § 4a SGB VIII und die Anerkennung von Selbstvertretungen in der Kinder- und Jugendhilfe, sollen die Rechte der jungen Menschen und Eltern nachhaltig gestärkt werden. Die Kinder- und Jugendhilfe hat dabei nicht nur die Aufgabe die Selbstvertretungen strukturell mit einzubeziehen, sondern muss auch zum Ziel haben, diese anzuregen und zu fördern (vgl. Dionisius et al. 2023, S. 1). U.a. fand im Dezember 2022 ein Expert*innengespräch, ausgerichtet von der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen (IGfH) in Frankfurt am Main, statt. In diesem Zusammenhang wurden Thesen entwickelt, die verschiedene Ankerpunkte liefern. Einer dieser Ankerpunkte ist z.B. die Feststellung, dass Selbstvertretungen – wie auch Elterninitiativen – in anderen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe, so z.B. in der Kindertagesbetreuung oder in der Eingliederungshilfe, eine etablierte Größe in der kooperativen Zusammenarbeit und Auseinandersetzung darstellen. Des Weiteren kann die Beteiligung und Anerkennung nicht nur dazu beitragen die Kinder- und Jugendhilfe weiter zu demokratisieren, sondern auch um Machtasymmetrien auszubalancieren oder zumindest besser zu regulieren, damit Kinder, Jugendliche und Eltern gestärkt werden ihre Interessen einbringen zu können (vgl. ebd., S. 2ff.).

In der Befragung wurden die Eltern anhand verschiedener Aussagen zu dem Thema Elternselbstvertretungen befragt. Dabei fiel vor allem auf, dass bei allen Aussagen überwiegend mit „Weiß ich nicht“ geantwortet wurde (siehe Abb. 7f.). Einzig bei der Aussage, ob eine Elternselbstvertretung außerhalb der Einrichtung genutzt wird, gab die Mehrheit an (n=27 bzw. 44%), diese Form der Selbstvertretung überhaupt nicht zu nutzen (siehe Abb. 8).

 

Abbildung 7: Elternselbstvertretungen Teil I

 

 

Abbildung 8: Elternselbstvertretungen Teil II

In der Interpretation der Antworten entsteht folgerichtig die Frage, ob die Befragten überhaupt wissen, was Elternselbstvertretungen sind. An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass Elternselbstvertretung – zumindest in dieser begrifflichen Form – ein bei den Eltern kaum bekanntes Format darstellt. Es wäre entsprechend weiterführend zu prüfen, ob – vielleicht in einer anderen begrifflichen Form – Beteiligungsstrukturen von Eltern über die Partizipation in einzelne Unterstützungs- oder Hilfeverläufe und -settings hinaus bei freien und öffentlichen Trägern existieren. In den Freitextfeldern der Befragung (siehe Abschnitt 4.5, S. 17ff.) wird allerdings deutlich, dass in der Entwicklung von Formaten für Elternselbstvertretungen bei freien und öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe Entwicklungsbedarf besteht.

Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sich die Verwirklichung des § 4a SGB VIII noch in den Anfängen befindet.

 

4.4  Inklusion – Ein positiver Begriff für Eltern?
In der Befragung wurden die Eltern gefragt, ob Inklusion ein positiver Begriff für sie ist und sie wurden anschließend aufgefordert, sich zu verschiedenen Aussagen zu dem Themenfeld zu positionieren. Hier war eine Bewertungsskala vorgesehen, die von 1 (sehr gut) bis 5 (ungenügend) reicht.

Für die Personen, die bei der Abfrage zum Begriff Inklusion geantwortet haben, diesen nicht zu kennen (n=10 bzw. 16%), wurde der Begriff vorab noch einmal wie folgt definiert:

„Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört. Oder anders: Inklusion ist, wenn alle mitmachen dürfen. Egal wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast. Zum Beispiel: Kinder mit und ohne Behinderung lernen zusammen in der Schule. Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, beim Wohnen oder in der Freizeit: Das ist Inklusion.“ (Beschreibung der Aktion Mensch)

Für den überwiegenden Teil der befragten Personen ist der Begriff Inklusion eher ein positiver Begriff[1]  (n=37 bzw. 59%). 9 Personen (bzw. 14%) stehen diesem Begriff eher nicht positiv gegenüber und 7 (bzw. 11%) äußern sich dazu neutral.

 

Abbildung 9: Inklusion (n=63)

In den nachfolgend dargestellten Aussagen wird insbesondere deutlich, dass die Meinungen zum Thema Inklusion sehr heterogen sind und bspw. fast die Hälfte (n=24 bzw. 43%) „eher nichts mit Inklusion anzufangen weiß“ (siehe Abb. 11). Vor allem diese Skala könnte das diverse Antwortverhalten erklären, da sich die Befragten ggf. noch keine feste Meinung zu dem Thema gebildet haben oder noch nicht viele Berührungspunkte mit dem Thema hatten.

 

Abbildung 10: Sicht der Eltern auf Inklusion Teil I

Bei den dazugehörigen Freitextfeldantworten wird Bezug auf die derzeitigen Erfahrungen hinsichtlich des Themas Inklusion genommen und sowohl bei den geschlossenen als auch bei den offenen Fragen wird die Wichtigkeit von gezielten Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen deutlich. Dies zeigt sich bspw. in der Bewertung der Aussage „Es bedarf anderer Betreuer*innen, um Kindern und jungen Menschen mit Behinderung gerecht zu werden“. Hier stimmen 35 Personen (bzw. 61%) der Aussage „eher zu“ und 22 (bzw. 39%) der Aussage „eher nicht“ zu (vgl. Abb. 11).

 

Abbildung 11: Sicht der Eltern auf Inklusion Teil II  

 

4.5  Auswertungen Freitextfeld
Zudem enthielt der Fragebogen die Möglichkeit, sich in sog. Freitextfeldern zu positionieren oder Anregungen zu geben. Es gab folgende 4 offene Fragen:

Wenn Sie angegeben haben, dass Ihre besuchte Einrichtung bereits inklusiv arbeitet. Woran erkennen Sie das?
Welche offenen Wünsche haben Sie an die Hilfe, die Sie oder Ihr Kind erhalten?
Wo würden Sie sich etwas anderes von der Einrichtung oder dem Jugendamt wünschen?
Was brauchen Sie, um sich in der Einrichtung besser einbringen zu können?
Hier werden nur die Antworten wiedergegeben, die sich wortgetreu oder sinngemäß mehrfach (mind. 5x) in den Freitextfeldern wiederfanden.

Bei den Antworten zu der ersten Frage wird deutlich, dass sich das Inklusionsverständnis der befragten Personen überwiegend auf Menschen mit Behinderungen bezieht (n=8) und die Institutionen Kita und Schule in erster Linie als diejenigen wahrgenommen werden, die diese als „Inklusionsinstanzen“ verwirklichen sollten (n=5).

Eine „inklusive Arbeitsweise“ wird daran ausgemacht, wie die Fachkräfte arbeiten, ob Personalentwicklungsmaßnahmen stattfinden (bspw. Fort- und Zusatzausbildungen) und wie die persönliche Einstellung der Mitarbeitenden ist (bspw. hinsichtlich des Bewusstseins, der Haltung und des sich Zeitnehmens) (n=6).

Fragen 2 und 3 zielen auf die zentralen Wünsche an die Hilfe und Einrichtungen (inkl. Jugendamt) ab. Aus den Antworten wurden folgende Punkte bezüglich der Wünsche an die Fachkräfte und Institutionen besonders deutlich:

1.    Mehr Bedürfnisorientierung und Anerkennung/Wertschätzung der Eltern und Kinder (n=11)

2.    Mehr Unterstützung, Transparenz und Informationen, insbesondere bei der „Bürokratie“ aber auch bei der Hilfeleistung selber, sowie weiteren Fördermöglichkeiten an sich (n=16)

3.    Mehr qualifiziertes Personal und bessere Betreuungsangebote (n=11)

4.    Bessere Erreichbarkeit des Jugendamtes und Kontinuität bei den Ansprechpersonen (n=10)

5.    Mehr Partizipation der Eltern und Zusammenarbeit mit den Institutionen (n=5)

6.    Viele der befragten Eltern haben keine konkreten, weiteren Wünsche an die Hilfe bzw. Einrichtung(en) sondern wünschen sich, dass es weiterhin so (gut) läuft wie bisher (n=9)

Gerade auch der erste Punkt – also die Anerkennung und Wertschätzung der Mitarbeitenden gegenüber den Eltern und Kindern – wird bspw. von Schrödter et al. (2022, S. 95) als „Kehrseite stigmatisierender Praktiken“ beschrieben, sodass hier ein erster Faktor sowohl von den Eltern als auch aus der Wissenschaft für eine gelingende Elternarbeit innerhalb der inklusiven Erziehungshilfen herausgestellt wird (vgl. ebd., S. 98).

Der konkrete Wunsch (Punkt 2) nach „Unterstützung, Transparenz und Informationen, insbesondere bei der „Bürokratie“ wird ebenfalls aus anderen Forschungen (bspw. bei den Care-Leaver*innen) gestützt, sodass dieses hinsichtlich einer inklusiven Erziehungshilfe im Fokus behalten und konkrete Maßnahmen ergriffen werden sollten.

In diesem Zusammenhang soll auf den Begriff „Bürokratie“ näher eingegangen werden, da sich der Wunsch nach „Unterstützung, Transparenz und Informationen“ darauf bezieht und sich mit 16 wortgetreuen oder sinngemäßen Antworten am häufigsten in den Freitextfeldern wiederfindet.

Der Begriff „Bürokratie“ ist ein Kunstwort und heißt übersetzt so viel wie „Herrschaft der Verwaltung“. Im Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürgern bezeichnet der Begriff „eine durch Formalisierung und Hierarchie bestimmte Struktur bzw. Funktionsweise von Behörden, welche die Art und Weise prägt, wie die öffentliche Verwaltung ihre Aufgaben dem Bürger gegenüber erfüllt“ (Mayntz 2023). In Bezug auf den vermehrten Wunsch der Eltern „mehr Unterstützung, Transparenz und Informationen bei der Bürokratie“, sowie „der Hilfeleistung und Fördermöglichkeiten“ zu erhalten, kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere die Zusammenarbeit mit den Verwaltungen (hier insbesondere mit den Jugendämtern) und dessen Umgang mit Vorschriften und Gesetzen, als verbesserungswürdig angesehen wird.

Darüber hinaus wird auch hier deutlich, dass das Wissen um weitere Hilfeleistungen und Fördermöglichkeiten eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Rechtsbereichen SGB VIII und IX bedarf und sich die Abschlussthese auch hieraus bestätigt (siehe Abschnitt 5, S. 20f.).

Punkt 3 und der Wunsch nach „mehr qualifiziertem Personal und besseren Betreuungsangeboten“ zeigt auf, dass den Eltern durchaus bewusst ist, dass Inklusion nur mit gezielten Personal- und Organisationsentwicklungsprozessen einher gehen kann und diese Prozesse für eine erfolgreiche, inklusive Umsetzung notwendig sind.

Ebenfalls Thema in den Freitextfeldantworten ist der Wunsch nach einer „besseren Erreichbarkeit des Jugendamtes und eine Kontinuität bei den Ansprechpersonen“, sowie „Partizipation“ und eine allgemein gute „Zusammenarbeit mit den Institutionen“.

Der sechste Punkt untermauert hingegen die These, die zu Beginn dieses Datenhandbuchs aufgestellt wurde, dass die befragten Eltern eher zufrieden mit der Hilfe und Hilfeausgestaltung sind und deswegen „viele der befragten Eltern keine konkreten, weiteren Wünsche an die Hilfe bzw. Einrichtung(en) haben, sondern sich wünschen, dass es weiterhin so (gut) läuft“ (siehe Abschnitt 4.1, S. 8).

Aus o.g. Frage 4 „Was brauchen Sie, um sich in der Einrichtung besser einbringen zu können?“ kristallisierten sich vor allem die Bedarfe der befragten Eltern nach „Angeboten und Möglichkeiten, damit sich vor allem Mütter untereinander (Peer-to-Peer) austauschen können“ (n=7), verbunden mit dem Anliegen, dass hierfür eine gewisse Qualifikation des Personals und Zeitressourcen, solche Austauschformate zu initiieren bzw. zu begleiten (n=6), vorhanden sein müssen.

Wird an dieser Stelle in Erinnerung gerufen, dass ca. 57% der Befragten die Mutter des jungen Menschen sind, überrascht es nicht, dass vor allem Austauschformate für diese Gruppe gewünscht werden.

Aber auch zu dieser Frage findet sich die Antwort wieder, dass sich die Befragten „nicht weiter mit einbringen wollen oder zufrieden mit den Partizipationsmöglichkeiten“ sind (n=6).

 

5. Fazit – Inklusive Erziehungshilfen brauchen eine Verantwortungsgemeinschaft hinsichtlich der Wahrnehmung und Umsetzung gesetzlicher Ansprüche sowie gezielte Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen
Die vorliegenden Daten verweisen darauf, dass sich die Eltern mehrheitlich zufrieden mit der Hilfe, dem Angebot und der Zusammenarbeit mit dem Einrichtungsträger zeigen. Dieses Ergebnis muss in den Kontext gestellt werden, dass die Befragung keineswegs repräsentativ ist, die Befragten sich freiwillig beteiligt haben oder von den Einrichtungen gefragt wurden. Die Zufriedenheit der Befragten ist somit in erster Linie eine Beschreibung des Samples – also der erreichten Elterngruppe –, und weniger zu betrachten als eine belastbare Aussage über die Eltern allgemein. Doch gerade diese Ausgangskonstellation, dass sich hier mit der Hilfe und dem Angebot zufriedene Personen positionieren, macht die weiteren – gerade kritischen – Antworten interessant. Denn es lässt offen, wie Eltern geantwortet hätten, die generell unzufriedener mit der Hilfe und Zusammenarbeit mit den Trägern sind.

Insgesamt kritischer als die Zusammenarbeit mit dem Träger wird in der Befragung die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt betrachtet, was insbesondere durch unterschiedliche Bewertungen innerhalb der geschlossenen Fragen, als auch durch Aussagen in den Freitextfeldern untermauert wird. Bspw. stimmen nur 42 Personen (bzw. 63%) der Aussage „Das Jugendamt ist ein verlässlicher Ansprechpartner“ eher zu und auch in den Freitextfeldern wird die Erreichbarkeit des Jugendamtes sowie die Kontinuität der Ansprechpersonen als verbesserungswürdig angesehen.

Darüber hinaus finden sich bei weiteren vermeintlich eher negativ besetzten Antworten verschiedene Zuständigkeitsbereiche der freien und öffentlichen Kinder-, Jugend- und Eingliederungshilfe wieder. So bspw. auch hinsichtlich der Wahrnehmung und Umsetzung der gesetzlichen Ansprüche aus § 37 SGB VIII „Beratung und Unterstützung der Eltern“ als auch § 5 SGB VIII „Wunsch- und Wahlrecht“. Dieser anspruchsvollen Aufgabe kann nur innerhalb einer Verantwortungsgemeinschaft nachgekommen werden bei der vor allem sowohl die Institutionen der Kinder- und Jugend-, als auch der Eingliederungshilfe gefragt sind. Auch wenn der öffentliche Träger gem. § 79 SGB VIII die sogenannte „Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben einschließlich der Planungsverantwortung“ hat, so kann diese ohne die Kooperation mit den freien Trägern auf der anderen Seite kaum erfüllt und angemessen umgesetzt werden.

Des Weiteren wird innerhalb der Befragung deutlich, dass „Selbstorganisierte Zusammenschlüsse zur Selbstvertretung“ gem. § 4a SGB VIII in den Einrichtungen noch mehr gefördert werden sollten, da solche Beteiligungsformate bzw. dessen Zugänge bei den Eltern weitestgehend unbekannt sind. Zusätzlich braucht es ein transparentes Inklusionsverständnis innerhalb der Kinder-, Jugend- und Eingliederungshilfeträger, da Eltern dies derzeit eher nicht mit diesen Institutionen in Verbindung bringen (siehe Abschnitt 4.5, S. 18).

Es wird davon ausgegangen, dass die öffentliche und freie Jugendhilfe derzeit andere Themen prioritär bearbeiten und ähnlich wie beim Thema „Eltern- und Angehörigenarbeit“ (vgl. Abschnitt 5, S. 4f.) die entsprechenden Konzepte fehlen. Dennoch ist die Unterstützung und Initiierung von Selbstvertretungen ein umzusetzender gesetzlicher Anspruch der von den Befragten in den Freitextfeldern konkret gefordert wird. Hier finden sich bspw. explizite Forderungen nach „Peer-to-Peer-Angeboten“ und Möglichkeiten der Interessenvertretung wieder, die bspw. durch Fachkräfte initiiert und begleitet werden sollten. An dieser Stelle wird – zusätzlich zu der Erkenntnis, dass eine inklusive Erziehungshilfe nur in einer Verantwortungsgemeinschaft wahrgenommen und umgesetzt werden kann – deutlich, dass es gezielte Organisations- und Personalentwicklungsmaßnahmen braucht.

Inklusion in den Einrichtungen selbst wird aktuell von den Eltern zwar positiv aber letztlich sehr heterogen wahrgenommen und es wird doch sehr deutlich, dass „Inklusion“ für die Befragten ebenfalls ein weitgehend unbekannter Begriff ist (vgl. Abschnitt 4.4., S. 16). Hierfür braucht es bspw. ein Leitbild als Orientierungslinie aus dem das Inklusionsverständnis der Einrichtung deutlich wird. Dies impliziert gleichzeitig – nach Ansicht der befragten Eltern – Fort- und Zusatzausbildungen bei den Fachkräften sowie eine gewisse persönliche Einstellung, gleichgesetzt in den Freitextfeldern mit den Begriffen „Bewusstsein, Haltung und Zeit haben bzw. sich nehmen“.

  


 

Literaturverzeichnis
Aktion Mensch e.V. (o. D.): Was ist Inklusion?. www.aktion-mensch.de.Was ist Inklusion. Aktion Mensch: [Online] https://www.aktion-mensch.de/dafuer-stehen-wir/was-ist-inklusion [abgerufen am 20.05.2023]

Dionisius, Sarah; Hopmann, Benedikt; Koch, Josef; Möller, Tabea; Wedermann, Stefan; Schröer, Wolfgang (2023): Selbstvertretung in der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe absichern und weiterentwickeln!. Hildesheim: Universitätsverlag Hildesheim. [Online] https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:hil2-opus4-15057 [abgerufen am 20.05.2023]

Hollweg, Carolyn; Kieslinger, Daniel (2021): Inklusion und Hilfeplanung – wie geht das zusammen?. In: Hollweg, Carolyn; Kieslinger, Daniel (Hrsg.): Hilfeplanung inklusiv gedacht Ansätze, Perspektiven, Konzepte. Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag. S. 10-20. [Online] https://www.projekt-inklusionjetzt.de/veroeffentlichungen/publikationen/band-1-hilfeplanung-inklusiv-gedacht/band-1-hilfeplanung-inklusiv-gedacht [abgerufen am 30.06.2023]

Hollweg, Carolyn; Kieslinger, Daniel; Rück, Florian; Schröer, Wolfgang (2021): InkluMa - Inklusion durch Mitarbeitende. Eine Fachkräftebefragung im Rahmen des Modellprojekts "Inklusion jetzt - Entwicklung von Konzepten für die Praxis ". BVkE, EREV, Inklusion jetzt! (Hrsg.). Freiburg im Breisgau: Lambertus. [Online] https://www.projekt-inklusionjetzt.de/veroeffentlichungen/publikationen/inkluma-inklusion-durch-mitarbeitende/inkluma-inklusion-durch-mitarbeitende [abgerufen am 30.06.2023]

Knuth, Nicole (2022): Partizipation von Eltern in der Heimerziehung. In: Faltermeier, Josef; Knuth, Nicole; Stork, Remi (Hrsg.): Handbuch. Eltern in den Hilfen zur Erziehung. Weinheim: Beltz Juventa. S. 192–205.

Mayntz, Renate (2022): Bürokratie, I. Politisch, in: Staatslexikon online: [Online]: https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/B%C3%BCrokratie [abgerufen: 04.07.2023]

Schrödter, Mark; Thalheim, Vinzenz; Freres, Katharina (2022): Bedingungslose Jugendhilfe. In: Faltermeier, Josef; Knuth, Nicole; Stork, Remi (Hrsg.): Handbuch. Eltern in den Hilfen zur Erziehung. Weinheim: Beltz Juventa. S. 88–103.

Wolf, Gunther (2013): Mitarbeiterbindung - Strategie und Umsetzung im Unternehmen. Freiburg/München: Haufe Gruppe.


 

Das Forschungsteam

Katharina Metzner, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim

Daniel Kieslinger, Projektleitung Inklusion jetzt!, Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e.V. (BVkE).

Judith Owsianowski, stv. Projektleitung Inklusion jetzt!, Evangelischer Erziehungsverband e.V. (EREV).

Florian Rück, studentischer Mitarbeiter, Universität Hildesheim

Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Professur für Sozialpädagogik Universität Hildesheim



[1] Im Fragebogen gab es bei der dritten Bewertungsskala eine fünfstufige Skala von „sehr gut“ bis „ungenügend“. Die Ergebnisse der dritten Bewertungsskala wurden zu 50% dem „eher positiv“ bzw. „eher zustimmend“ und zu 50% dem „eher nicht positiv“ bzw. „eher nicht zustimmend“ zugeordnet, um die Tendenzen im Abstimmungsverhalten deutlicher machen zu können.