Newsletter Dezember 2020
Autor:innen: Daniel Kieslinger, Carolyn Hollweg
Herausgeber: BVKE, EREV, Inklusion jetzt!
https://doi.org/10.54953/JEUB3258
Ein ereignisreiches Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Bereits zu Beginn des Projektes stand fest: Es wird anders als geplant. Zusammenarbeit war nur noch online möglich und das gemeinsame Arbeiten verlagerte sich auf stundenlange Videokonferenzen. An dieser Stelle möchten wir uns bei Ihnen allen herzlichst bedanken, die Sie sich auf unsere digitalen Lösungen eingelassen und mit uns gemeinsam das Projekt so engagiert und motiviert begonnen haben. Wir wünschen Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Start in das neue Jahr 2021.
Wir freuen uns sehr, die kommenden dreieinhalb Jahre des Projektes mit Ihnen gemeinsam gestalten zu können – digital und sobald wie möglich in Präsenz!
Kieslinger, Daniel; Hollweg, Carolyn (2020): Newsletter Dezember 2020. Herausgegeben von BVKE, EREV, Inklusion jetzt!
Inhalt
Aus den Arbeitsgruppen
Im Gespräch mit der Lebenshilfe
Ein Modellstandort stellt sich vor
Die ICF-CY als Perspektive einer inklusiven Erziehungshilfe?!
Liebe Leserinnen und Leser,
ein ereignisreiches Jahr neigt sich dem Ende entgegen. Bereits zu Beginn des Projektes stand fest: Es wird anders als geplant. Zusammenarbeit war nur noch online möglich und das gemeinsame Arbeiten verlagerte sich auf stundenlange Videokonferen- zen. An dieser Stelle möchten wir uns bei Ihnen allen herzlichst bedanken, die Sie sich auf unsere digitalen Lösungen eingelassen und mit uns gemeinsam das Projekt so engagiert und motiviert begonnen haben. Wir wünschen Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Start in das neue Jahr 2021. Wir freuen uns sehr, die kommenden dreieinhalb Jahre des Pro- jektes mit Ihnen gemeinsam gestalten zu können – digital und sobald wie möglich in Präsenz!
Kurzinformationen
Aus den Arbeitsgruppen
In unterschiedlichen Zusammensetzungen trafen sich in den letzten Wochen weitere der zehn Arbeitsgruppen und haben sich verschiedene Ziele gesetzt.
Vor allem die Frage nach der gelingenden Zusammenarbeit und die Fokussierung von gemeinsamen Zielen stand im Mittelpunkt. Auch darüber, was eine inklusive Haltung ausmacht, haben sich die Gruppen verständigt.
Als Arbeitsaufträge entstan- den viele Ideen, wie zum Beispiel die Weiterarbeit an den verschiedenen Indices für In- klusion und der Entwicklung von einrichtungsübergreifen- den Initiativen, um den inklu- siven Gedanken in den Mo- dellstandorten zu verankern. Im kommenden Jahr werden wir gemeinsam an den unterschiedlichen Themen weiterarbeiten.
Die ICF-CY als Perspektive einer inklusiven Erziehungshilfe?!
Eva Klein von der Arbeitsstelle Frühförderung in Hessen führt in ihrem Fachartikel umfassend in die Internationale Klassifikation zur Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit ein (ICF).
Dabei beleuchtet sie die Phi- losophie der ICF und stellt die Herausforderungen der Umsetzung und Anwendung der ICF in der Praxis dar.
Onlineseminar IV - Im Gespräch mit der Lebenshilfe
Gemeinsam mit Helen Ghebremicael von der Bundesvereinigung Lebenshilfe und ca. 70 Teilnehmenden sind wir den Fragen nach den Chancen und Grenzen des SGB VIII-Entwurfs nachgegangen.
Ein Modellstandort stellt sich vor
In der letzten Ausgabe dieses Jahr stellt sich die Diakonie Düsseldorf vor.
Ihr Jugendhilfe-Verbund umfasst den Geschäftsbereich Bildung und Erziehung mit 48 Kitas und Tagespflegen, den Geschäftsbereich Jugendhilfe und Schule mit der Ganztagsbetreuung an 25 Grund- und Förderschulen sowie weitere unterschiedliche Angebote.
Mit der Teilnahme am Projekt verbindet sie das Ziel, mehr Öffentlichkeit für die Chancen der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe zu gewinnen. Die Herausforderungen, welche diese mit sich bringt, sollen aktiv angegangen werden.
Das Wichtigste ist der Diakonie Düsseldorf im Gesamtprojekt die Familien und jungen Menschen zu unterstützen, ihre Stimme zu erheben.
Aus den Arbeitsgruppen - digital zu den ersten Meilensteinen
Obwohl die Arbeitsgruppen allein schon aufgrund ihrer Zusammensetzung unterschiedliche Ziele für ihre jeweiligen Mitglieder verfolgen, kristallisieren sich unter- schiedliche Megathemen heraus. So ist in allen Arbeitsgruppen die Mitarbeitenden- entwicklung und Qualifikation für die kommenden Aufgaben eines inklusiven SGB VIII ein wichtiges Thema. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Zusammenarbeit mit un- terschiedlichen Kostenträgern und vor allem der öffentlichen Jugendhilfe. Ein dritter Fokus in den Gruppen ist das „voneinander Lernen“, welches gerade in der Erarbeitung neuer Konzepte und Angebotsstrukturen eine wichtige Basis der gemeinsamen Arbeit bilden wird.
Gemeinsame Haltung - unterschiedliche Herangehensweisen
Die Frage nach einer gemeinsamen Haltung, was „Inklusion“ für die Kinder- und Ju- gendhilfe bedeutet und wie diese im Konkreten umgesetzt werden soll, beschäftigte alle Arbeitsgruppen. Punkte wie Akzeptanz von Diversität, Selbstbestimmung aber auch das Wahrnehmen der eigenen (institutionellen) Grenzen wurden in unterschiedlichen Diskussionen immer wieder als Schlüsselbegriffe genannt. Die unterschiedlichen Facetten zusammenführend
wird die Projektkoordination ein kleines Diskussionspapier zum Thema „Was heißt Inklusion in den Hilfen zur Erziehung“ zusammenstellen, das sich unter ande- rem auch mit Begriffen wie Behinderung, Beeinträchtigung und anderen wesentlichen Konzep- ten befasst. Dieses Papier soll im Verlauf des Prozesses immer wieder als Prüf- und Anstoßstein für ein gemeinsames Entwickeln einer „inklusiven Haltung“ dienen.
Arbeitshilfe, Konzeptentwicklung, Austausch
Für die kommenden Treffen hat sich die Arbeitsgruppe 2 vorgenommen, die unterschiedlichen Indices für Inklusion zu analysieren und diese als Grundlage für eine Arbeitshilfe zu nehmen. In weiteren Arbeitsgruppen steht zunächst der fachliche, interdisziplinäre Austausch im Mittelpunkt, um Ansatzpunkte für eine gemeinsame Arbeit und die Entwicklung von Angeboten und Konzepten zu systematisieren.
Unter anderem geht AG 10 den Fragen nach gemeinsamen Gelingensbedingungen für inklusive Leistungsangebote nach. Um die zu entwickelnden Konzepte in ein Netzwerk einbinden zu können, hat sich Arbeitsgruppe 9 zum Ziel gesetzt, Kontak- te zu unterschiedlichen Kostenträgern, aber auch zur Schnittstelle Ausbildung und Qualifikation herzustellen.
Die unterschiedlichen Initiativen vor Ort, die gemeinsame Arbeit an Positionierungen und Argumentationshilfen und die Netzwerkarbeit bilden ein wichtiges Element in unserem Modellprozess, das durch die Projektkoordination strukturiert und für alle zugänglich gemacht wird.
Onlineseminar IV - Der aktuelle Referent*innenentwurf: Chancen und Grenzen aus Sicht der Lebenshilfe
Der aktuelle Referent*innenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen sieht neben Verbesserungen im Kinder- und Jugend- schutz und mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien auch die verbindliche Weichen- stellung für ein inklusives Leistungssystem der Kinder- und Jugendhilfe vor. Damit kommt der Gesetz-
geber Forderungen nach, wie sie auch die Bundesvereinigung Lebenshilfe seit langer Zeit stellt, etwa nach der Aufhebung der Schnittstellenproblematik. Aus Perspektive der Bundesvereinigung Lebenshilfe ist es damit jedoch noch nicht getan; der Verband sieht die Belange junger Menschen und Eltern mit Behinderung nicht ausreichend be- rücksichtigt.
Die Stellungnahme zum Referent*innenentwurf als Orientierung
Zum Auftakt stellte die Referentin Helen Ghebremicael die Stellungnahme der Bun- desvereinigung Lebenshilfe zum aktuellen Referent*innenentwurf der SGB VIII-Re- form - mittlerweile Kabinettsentwurf - vor. Dabei stellte die Referentin besonders her- aus, dass die Lebenshilfe dem Entwurf grundsätzlich positiv gegenübersteht, jedoch noch nicht deutlich werde, wie sich die Inklusive Lösung konkret umsetzen lasse. Das Gesetz biete allerdings die Gelegenheit, die Kinder- und Jugendhilfe umfassend in- klusiv auszugestalten.
Kleingruppenarbeit und viele Fragezeichen
Nach einer Austauschrunde in Kleingruppen diskutierten die Teilnehmenden über die Frage, welches Qualifikationsprofil ein*e Verfahrenslots*in denn haben müsse. Schnell wurde deutlich, dass diese Aufgabe eine höchst anspruchsvolle ist, die sowohl umfas- sende Kenntnis der Landschaft der Kosten- und Hilfeträgersysteme umfasst, als auch hohe Methoden- und Sozialkompetenz verlangt. Ebenso ist die Unabhängigkeit der Stelle zu unterstreichen, da diese nicht das ökonomische Handeln als Maxime haben sollte. Aus den Erfahrungen mit dem BTHG sollte gelernt werden, so das Resümee der Teilnehmenden.
Im Prozess des Zusammenwachsens von Kinder- und Jugendhilfe und sogenannter Behindertenhilfe/Eingliederungshilfe ist es unbedingt notwendig, so der Grundtenor der Veranstaltung, dass sich auf Augenhöhe begegnet wird, um die optimalen Ange- bote für die Kinder und Jugendlichen bereithalten zu können.
Mit Blick auf den Kinderschutz zeigt die Diskussion, wie wichtig es ist, dass die Inob- hutnahmestellen eine ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung haben.
Als Fazit der Veranstaltung kann man festhalten, dass die Chancen des neuen Ge- setzes in der interdisziplinären Zusammenarbeit liegen und sich nur gemeinsam eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe verwirklichen lässt.
Den Vortrag und die Dokumentation der Veranstaltung finden Sie auf unserer Homepage unter www.projekt-inklusionjetzt.de/dokumentationen.
Ein Modellstandort stellt sich vor
Die Diakonie Düsseldorf
Die Diakonie Düsseldorf ist seit vielen Jahren in den Bereichen Leben im Alter, Obdachlosenhilfen, Sucht, Flucht und Migration sowie auch im Bereich der Jugendhilfe tätig. Ihr Jugendhilfe-Verbund umfasst den Geschäftsbereich Bildung und Erziehung mit 48 Kitas und Tagespflegen, den Geschäftsbereich Jugendhilfe und Schule mit der Ganztagsbetreuung an 25 Grund- und Förderschulen sowie weiteren Formen der Betreuung an Schulen, Schulsozialarbeit und das Rather Modell für Schulverweigerer.
Der Geschäftsbereich Erziehung und Beratung (EuB) gehört zum Jugendhilfe-Verbund und umfasst sechs Abteilungen mit rund 400 Mitarbeitenden und durchschnittlich 3600 Klient*innenkontakten pro Monat in den Arbeitsfeldern des Geschäftsbereiches.
Häufige Splittung der Leistungen
Vor dem Hintergrund der Erziehungshilfe, mit der heilpädagogisch-systemischen Denkweise als Grundausrichtung, geht es uns immer darum, die Familie zu stärken, das Kind in der Familie bestmöglich in seiner Entwicklung zu unterstützen. Aus unserer Sicht kann es nicht sein, dass ein Kind mit einer Behinderung (sowohl körperlich als auch seelisch und kognitiv), so es dann unter SGB IX fällt, keine Hilfe zur Erziehung erhalten kann und auf der anderen Seite Eltern nach SGB VIII kaum pädagogische Unterstützung bei der Erziehung ihres see- lisch behinderten Kindes erhalten! Uns ärgert es sehr, dass die gesetzlichen Vorgaben der einzelnen Gesetzbücher keine ganzheitliche Sicht auf die Familie haben! Die Leistungen werden häufig gesplittet, einmal die Leistung für das Kind, aber keine Leistung für die Eltern bzw. das Familiensystem, im Rahmen der Hilfe für das Kind. Dabei ist es auch sehr wichtig, dass die Geschwisterkinder auch in der Arbeit mit dem behinderten Kind gesehen werden, um eine Benachteiligung und sich eine daraus möglicherweise ergebende Verhaltensauffäl- ligkeit zu vermeiden.
Auf diesem Hintergrund treffen sich einmal im Quartal Vertreter*innen aus allen Geschäftsbe- reichen und allen Arbeitsfeldern des Geschäftsbereichs Erziehung und Beratung im Arbeits- kreis Erziehung und Teilhabe, um sich über die Arbeit mit Kindern mit Beeinträchtigungen und Behinderungen und deren Familien auszutauschen. Der Umgang der jeweiligen zuständigen Behörden mit dieser Gruppe ist stets eines der Hauptthemen. Wiederkehrendes Thema ist dabei die Zusammenarbeit mit der jeweiligen zuständigen Behörde. Aus allen Arbeitsfeldern des Geschäftsbereiches EuB wird immer wieder berichtet, dass es grundsätzlich schwierig ist, individuelle pädagogische Hilfen für das Kind und den Kontext, in dem es lebt, zu instal- lieren. Unkenntnis über verschiedene Behinderungen und deren Auswirkungen auf die kind-
liche Entwicklung und Erziehung erschweren eine gute
Lösung für das Kind und den Kontext, in dem es lebt.
Darüber hinaus werden praktische Arbeitshilfen, spe- zifische Arbeitsfelder, Behinderungsarten sowie die inklusive Entwicklung in den einzelnen Arbeitsfeldern vorgestellt. In diesem AK haben wir z. B. die Flyer der Angebote der Abteilung in leichter Sprache vorgestellt. Inzwischen haben auch andere Arbeitsfelder Flyer in leichter Sprache oder gut verständliche Erklärfilme, z.
- TrebeCafé - Ein Schutzraum für Mädchen, die Hilfe brauchen. Ein weiterer Schritt in Richtung Inklusion war die Bewertung aller Gebäude im Geschäftsbereich Erziehung und Beratung auf behindertengerechte Zugänge. Da ist noch viel zu tun! Insgesamt stehen wir am Anfang einer inklusiven Ausrichtung des Geschäftsbereiches. Erste Schritte haben wir gemacht. In den Abteilungen wird über inklusives Arbeiten in den Arbeitsfeldern nachgedacht. Dazu gehört auch, die Ängste und Befürchtungen der pädagogischen Fachkräfte ernst zu nehmen und gemeinsam Ideen zu entwickeln, wo und wie inklusive pädagogische und beratende Arbeit in einem Einzelfall aussehen könnte, um es an- schließend, wenn möglich mal auszuprobieren. Erfahrungen in der Tagesgruppenarbeit, in der ambulanten Arbeit und im stationären Bereich zeigen, dass diese Vorgehensweise möglich ist und so Hemmschwellen abgebaut werden können.
Wir erleben, dass immer mehr Kolleg*innen sich für eine inklusive Jugendhilfe interessieren. Im Alltag erhält die Abteilung Heilpädagogische Hilfen immer wieder Beratungsanfragen be- züglich des Umgangs mit einem behinderten Kind oder einem Jugendlichen. Eine inklusive Kultur beginnt sich zu entwickeln. Die Abteilung Heilpädagogische Hilfen hat mit den andern Abteilungen des Geschäftsbereiches sowie mit dem Geschäftsbereich Bildung und Erziehung (Kita und Tagespflege) und dem Geschäftsbereich Jugendhilfe und Schule Kooperationsver- träge geschlossen, die sich auf Beratung im Umgang mit beeinträchtigten und behinderten Kindern und deren Familien beziehen, aber auch die Gestaltung von Alltagssituationen in den Arbeitsfeldern in Bezug auf behinderte Kinder und gemeinsame Projekte beinhalten.
Warum wir am Projekt teilnehmen
Die Abteilung heilpädagogische Hilfen hat sich mit der Aufnahme der Arbeit der heilpäda- gogischen Tagesgruppe vor 40 Jahren dem inklusiven Denken verschrieben. Schon damals besuchten Kinder aus dem heutigen Bereich des § 35a SGBVIII sowie SGB IX die heilpäda- gogische Tagesgruppe. Bereits zu diesem Zeitpunkt war die handlungsorientierte Elternarbeit wichtiger Bestandteil der Arbeit; stets mit dem Ziel, den Verbleib des Kindes in der Familie zu ermöglichen.
Aus der Idee, individuelle Hilfen für Kinder mit Beeinträchtigungen und Behinderungen und deren Familien weiter zu entwickeln, sind die anderen Arbeitsfelder der Abteilung entstanden. Dabei haben wir immer wieder damit zu kämpfen, dass sowohl eine Hilfe nach § 35a SGBVIII als auch eine Hilfe nach SGB IX nicht grundsätzlich auch eine auf den individuellen Fall ausgerichtete Eltern- und Familienarbeit beinhaltet. Fördereinheiten sind nur für das Kind, die Beteiligung der Eltern im Fördersetting nur in Ausnahmefällen möglich.
Im Bereich des SGB VIII berichten Eltern, dass sie die Beratung für sich als Eltern eines be- hinderten Kindes in der Familie extra bei einem anderen Teil des Jugendamtes beantragen müssen. Eltern „verstehen“ das nicht und finden nicht immer den Weg in eine andere Abteilung des Jugendamtes. In der aktuellen heilpädagogischen Arbeit, besonders in den Fällen in welchen es verschiedene Arbeitsfelder (nicht Tagesgruppen) gibt, gibt es außer in der Beantra- gung der Leistung, der Dokumentation und der Abrechnung der Leistung keine Unterschiede. Die Therapie- und Förderräumlichkeiten mit der entsprechenden Ausstattung stehen allen zur Verfügung. Die Fachkräfte bearbeiten einen Fall SGB VIII § 35a, danach möglicherweise einen Fall nach SGB IX.
In den Tagesgruppen haben wir auch Kinder mit starken kognitiven Einschränkungen, die jedoch von der Strukturierung und der Förderung in der Tagesgruppe profitieren. Ergibt eine Testung zur Ermittlung der geeigneten Schulform das Ergebnis „geistige Behinderung“, kann das Kind die Tagesgruppe nicht weiter besuchen, da es dann zum SGB IX „gehört“. Als Folge davon können die Eltern auch keine maßgeschneiderte Eltern- und Familienarbeit mehr nutzen.
In der Frühförderung dürfen nur noch Kinder gefördert werden, die eine Diagnose haben. Kinder mit unspezifischen Entwicklungsstö- rungen können ohne Diagnose nicht mehr von der Förderung profitieren. Das kann zur Verhinderung von bildungsbezogener und sozialer Teilhabe führen. Sie müssen bis zum Schuleintritt warten oder die Familie hat einen HzE-Bedarf. Dann geht es jedoch primär um den allgemeinen HzE-Bedarf für das Familiensystem zur Vermeidung einer sich möglicherweise entwickelnden Kindeswohlgefährdung. Es fällt schwer, optimistisch zu bleiben und an unserer inklusiven Kul- tur zu arbeiten, wenn Gesetzesvorgaben, behördliches und institutionelles Handeln es in manchen Fällen geradezu verbieten!
Wir würden gerne ähnlich arbeitende Institutionen kennlernen, neue Informationen zur Reform des SGB VIII unter dem Aspekt Inklusion erhalten und mit den anderen Projektteilnehmer*innen über ambulantes Arbeiten und Inklusion diskutieren.
Unser Ziel
Mehr Öffentlichkeit für die Chancen, Herausforderungen und Hemmnisse einer inklusiven Jugendhilfe.
Wir erhoffen uns von der Projektteilnahme eine bundesweite öffentliche Diskussion - mit Trägern der Jugendhilfe, Politiker*innen, Verantwortlichen in Jugendämtern und anderen mit der Thematik befassten Behörden und Institutionen.
Wir wissen, dass es noch ein weiter Weg bis zur inklusiven Jugendhilfe im Bereich Erziehung und Beratung ist. Wenn es durch das Projekt gelingt, mehr Öffentlichkeit herzustellen und die Idee der inklusiven Jugendhilfe insgesamt dadurch zu befördern, würde es uns, und damit den betroffenen Familien im Alltag, im Umgang mit Behörden und Institutionen helfen. Die Jugendhilfe kann so Familien unterstützen, eine Stimme zu bekommen!
Aktuelle Entwicklungen der SGB VIII-Reform
Die aktuellsten Informationen zum Stand der SGB VIII- Reform finden Sie auf unserer Themenseite unter
www.projekt-inklusionjetzt.de/sgbviii
Dort bereiten wir aktuelle Stellungnahmen von Verbänden und die neuesten Entwicklungen des Gesetzgebungsverfahrens für Sie auf.
Save the Date
Das nächste Onlineseminar wird im kommenden Jahr am 24. Februar 2021
voraussichtlich von 14:00 - 16:00 Uhr stattfinden.
Wie gewohnt werden wir mit dem Tool Webex arbeiten.
Thematisch wird es um Inobhutnahme mit dem Fokus auf Kinder mit Beeinträchtigungen gehen.
Die ICF-CY als Perspektive einer inklusiven Erziehungshilfe?!
Chancen und Grenzen zwischen Teilhabeorientierung und Etikettierung
Eva Klein
Zum Einstieg kurz zu meinem Hintergrund: Als Pädagogin leite ich eine landesweite Fach- und Koordinierungsstelle für das in- terdisziplinäre System der Frühförderung. Inhaltliche Schwerpunkte der Arbeitsstelle Frühförderung Hessen liegen in Angeboten zur Qualifikation, Förderung der Koopera- tion der beteiligten Fachkräfte sowie der Vernetzung mit allen Tätigkeitsfeldern in der frühen Kindheit (insbesondere frühkindliche Bildung, Frühe Hilfen). Eine Auseinandersetzung mit der ICF-CY, das Sammeln von Erfahrungen zu Chancen und Grenzen ihrer Anwendung sowie zu Möglichkeiten ihrer Umsetzung gehört seit über 10 Jahren dazu.
Welche Perspektive bietet die ICF-CY?
Das umfassende Thema der Inklusion und ihre Umsetzung stellen uns vor vielfältige He- rausforderungen. Die damit einhergehende Frage nach umfassender Teilhabe schließt aus meiner Sicht direkt an die Grundlagen der Internationalen Klassifikation zur Funk- tionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) an.
Das Modell der ICF bietet mit seinen biologischen, psychologischen und sozialen Dimensionen eine breite Grundlage, die vielfältigen Aspekte, die die Teilhabe einer Person begünstigen – oder diese behindern
– betrachten zu können. Dabei können un- terschiedliche Sichtweisen deutlich werden und im gemeinsamen Prozess zusammen- geführt werden (Ausleuchten blinder Fle- cken/Erweitern des eigenen Horizonts/Ab- stimmungsprozesse). Das Modell kann dazu beitragen, die Blickwinkel von Fachkräften aus verschiedenen Bereichen zu bündeln und auf die Teilhabeziele der im Mittelpunkt stehenden Person zu fokussieren. Ausrichtung dabei sind die Wünsche der anfragen- den Person und ihrer Bezugspersonen.
Gleichzeitig wird für eine ganzheitliche und systemische Betrachtung einer Person und der komplexen Beziehungen in ihrem und zu ihrem Umfeld mehr benötigt als nur ein ein- zelnes Instrument. Dies gilt insbesondere mit Blick auf junge Kinder und die Bedeutung von Familie und Umfeld für ihre Entwicklung. Mit dem Blick auf Inklusion könnte man sagen, dass es mehr als eine Sprache benötigt, um alle Aspekte zu umfassen und Inklusion le- bendig zu gestalten. Der Blick auf funktionale Gesundheit und die mit der ICF bereitgestell- ten Domänen (Körperfunktionen/-strukturen, Aktivitäten/ Teilhabe/ Umweltfaktoren, Per- sonbezogene Faktoren) können einen wich- tigen Beitrag dazu leisten. Doch auch dieser Blick muss wiederum in weitere Kontexte ge- stellt werden.
Die Philosophie der ICF: das bio-psycho- soziale Modell
Die ICF ist – wie die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwand- ter Gesundheitsprobleme (ICD) (WHO 1929)
– Teil der WHO-Familie (WHO: Weltgesund- heitsorganisation) von Kategoriensystemen zur Beschreibung gesundheitsrelevanter As- pekte. Sie ist ein weltweit gültiges Instrument, dessen Items in den interdisziplinären Gre- mien der Weltgesundheitsorganisation verhandelt wurden und weiterhin eingebracht werden können.
Während die ICD (seit 1992 ICD 10) Krankheiten klassifiziert, ist die 2001 erschienene ICF die Internationale Klassifikation von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Damit wurde der Wechsel zu einem bio-psycho-sozialen Modell zur Be- trachtung von Gesundheit und dem Phäno- men Behinderung vollzogen. Die ICF soll fach- und länderübergreifend als einheitliche und standardisierte Sprache zur Beschrei- bung des funktionalen Gesundheitszustan- des eines Menschen dienen (www.dimdi.de/ dynamic/de/klassifikationen/icf/).
Quelle: DIMDI 2005, 21
Der Begriff der Behinderung wird in der ICF wie folgt gefasst:
„Behinderung ist gekennzeichnet als das Ergebnis oder die Folge einer komplexen Be- ziehung zwischen dem Gesundheitsproblem eines Menschen und seinen personenbezo- genen Faktoren einerseits und den externen Faktoren, welche die Umstände repräsentieren, unter denen Individuen leben, andererseits.“ (WHO 2004)
Mit der Betonung von komplexen Beziehungen und dem Einbezug von Umwelt als Wirkfaktor zeigt sich, dass das bio-psychosoziale Modell der ICF bereits die Grundlage für den Behinderungsbegriff der UN-Behin- dertenrechtskonvention bildet. Dort heißt es
in Artikel 1:
„… zu den Menschen mit Behinderungen zäh- len Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchti- gungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“ (WHO 2008).
Dieser wiederum führt zum Paradigmenwechsel in der Definition von Behinderung im SBG IX (§ 2 Begriffsbestimmungen). Für das Kin- der- und Jugendhilfegesetz steht dieser Paradigmenwechsel – auch im aktuell vorliegenden Referent*innenentwurf – noch aus.
Um den Besonderheiten sich entwickelnder Kinder und den Einfluss der Umwelt auf ihre Entwicklung besser gerecht zu werden wurde 2007, basierend auf der ICF die ICF-CY (Inter- national Classification of Functioning, Disabili- ty and Health – Children and Youth) entwickelt. Zugrunde liegt ein Bild von Entwicklung als dy- namischer Prozess, der abhängig ist von kon- tinuierlicher Interaktion mit der Familie oder anderen betreuenden, begleitenden Personen im nahen sozialen Umfeld. Berücksichtigt wird außerdem der bedeutende Einfluss von ma- teriellen und sozialen Elementen der Umwelt auf die Möglichkeiten der Entwicklung von Kin- dern (Kraus de Camargo/ Hollenweger 2011, 15-17).
Überschrift für das mehrdimensionale Modell der ICF ist die Funktionale Gesundheit eines Menschen – ein durchaus etwas sperriger Begriff. Nach Manfred Pretis geht es bei der Funktionsfähigkeit darum, „das Handeln/Tun/ Funktionieren eines Menschen im Zusam- menhang mit seiner relevanten Umwelt zu betrachten. In welchem Maße ist ein Mensch mit einem Gesundheitsproblem in der Lage, all das zu TUN, was andere in seinem Alter/ seiner Bezugsgruppe üblicherweise tun?“ (Pretis, 2017).
Wesentlich ist, dass die Einheit der Klassi- fikation in der ICF keine Diagnose des Men- schen vornimmt, sondern ein Profil seiner Funktionsfähigkeit darstellt. Man kann sich dies in Form eines aktuellen „Schnappschuss der Situation“ vorstellen.
Die ICF kann als integratives Werkzeug (Phi- lippi 2007) angesehen werden, mit dem es möglich ist, Art und Ausmaß der Einschrän- kungen in der Funktionsfähigkeit eines Men- schen zu beschreiben, seine Ressourcen aufzuzeigen und die Umweltfaktoren zu iden- tifizieren, die seine Funktionsfähigkeit beein- flussen (sowohl förderlich sowie als Barriere). Grundlage hierzu ist bereits bestehendes fachspezifisches Wissen zur Situation einer Person. Denn die ICF selbst ist kein Assess- mentinstrument, d. h.: „die jeweiligen diszi- plinenspezifischen Informationsgewinnungs- verfahren werden dadurch nicht ersetzt“ (Kraus de Camargo/ Simon 2015, 34)!
Vielmehr dienen die Domänen der ICF als Or- ganisationshilfe, um eine zusammenfassende Darstellung vorliegender Befunde abzubilden. Als ein solches Informationssammelbecken bietet sie Grundlagen für Zielformulierungen und geplante Interventionen (Kraus de Camar- go/ Hollenweger 2011, 18).
Im Zentrum und als Ziel der Umsetzung der ICF stehen Aktivität und Teilhabe, und zwar be- tätigungsorientiert und alltagsrelevant. Diese beziehen sich jeweils auf konkrete Lebensbe- reiche einer Person. In der ICF werden neun Lebensbereiche beschrieben:
- Lernen und Wissensanwendung
- Allgemeine Aufgaben und Anforderungen
- Kommunikation
- Mobilität
- Selbstversorgung
- Häusliches Leben
- Interpersonelle Interaktion und Beziehungen
- Bedeutende Lebensbereiche
- Gemeinschafts-, soziales und staatsbürger- liches Leben
Im Zuge des Klassifikationssystems werden die einzelnen Bereiche dann weiter unterteilt. Hier ein Beispiel aus dem Bereich der Kommunikation. Dieser hat als einen Unterpunkt „Kommunizieren als Sender“, der sich wie folgt weiterverzweigt:
Quelle: http://peterlienhard.ch/download/170414_icf_mindmaps_total.pdf
Die Umweltfaktoren in der ICF beziehen sich auf die materielle, soziale und einstellungsbezogene Umwelt, in der Menschen leben und ihr Dasein entfalten. Die personbezogenen Faktoren umfassen den speziellen Hinter- grund des Lebens und der Lebensführung eines Menschen, wie z. B. Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Fitness, Einstellungen, Lebensstil, Verhaltensgewohnhei- ten, Ausbildung, sozioökonomische/-kulturelle Faktoren.
Nachdem alle relevanten Informationen gesammelt sind und bevor es zu Handlungs- plänen kommt, ist - auch unter Nutzung der ICF - der wesentliche nächste Schritt die Be- trachtung und Interpretation von Wechsel- wirkungen in einem gemeinsamen Prozess der beteiligten Personen. Hier geht es dar- um, Stärken und Förderfaktoren sowie Be- einträchtigungen und Barrieren und deren Zusammenwirken zu verstehen. Die von der betroffenen Person gewünschten Teilhabe- ziele können darauf basierend durch abge- stimmte Angebote unterstützt werden.
Umsetzung der ICF-CY und Herausfor- derungen
Im Kontext von Behinderung finden in der ICF sowohl körperliche/ seelische Faktoren als auch Aktivitäten als auch Umweltfaktoren als auch personbezogene Faktoren Berück- sichtigung. Damit wird versucht verschiede- ne fachliche Sichtweisen zusammenzubrin- gen bzw. Brücken zu ermöglichen. Dabei wird die ICF oft als „gemeinsame Sprache“ beschrieben. Anspruch der ICF ist es, mit dem bio-psycho-sozialen Ansatz ein Ge- sundheitsmodell zu bieten, das der beste- henden Dialektik von „medizinischem“ und
„sozialem“ Modell von Behinderung einen gemeinsamen Rahmen bietet. Mitunter klaf- fen die beiden Modelle in der Diskussion so weit auseinander, dass es keine Brücke zu geben scheint, sondern nur ein „entweder – oder“. Das Modell der ICF basiert aber gerade auf einer Integration dieser beiden ge- gensätzlichen Modelle bei der Betrachtung von Behinderung, Gesundheit und Krankheit (Hollenweger/ Kraus de Camargo 2017, 53). Gleichzeitig findet sich in der ICF-CY selbst eine kritische Auseinandersetzung mit die- sem Spannungsfeld. Dort heißt es: „Es bleibt die schwierige Frage, wie man Menschen am besten bezeichnen kann, welche ein gewisses Maß an funktionalen Einschränkungen oder Begrenzung erfahren. […] Um der gerechtfer- tigten Befürchtung einer systematischen Etiket- tierung von Menschen entgegenzuwirken, sind die Kategorien der ICF neutral gefasst, um He- rabsetzungen, Stigmatisierungen und unange- messene Konnotationen zu vermeiden. … Die negative Attributierung der eigenen Gesundheit und die Reaktionen anderer existieren jedoch unabhängig von den Umschreibungen, die zur Definition eines Zustandes verwendet werden. Wie immer auch „Behinderung“ genannt wird, sie existiert unabhängig von dieser Bezeich- nung. Es handelt sich hier nicht ausschließlich um ein sprachliches Problem, sondern vielmehr um ein Problem der Einstellung der Einzelnen und der Gesellschaft gegenüber Behinderung“ (Hollenweger/Kraus de Camargo 2017, S. 283-284).
Nicht nur eine Frage der Haltung
Wenn hier auf Einstellungen abgezielt wird, be- trifft das nicht nur die Frage der „Haltung“ oder gar das ausschließliche Diskutieren von Be- grifflichkeiten, sondern vor allem auch die tat- sächlich bereitgestellten Angebote und deren erlebbare Niedrigschwelligkeit für die betroffe- nen Menschen. Das ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Gewinn dieses Modells. Jede*r, der sich mit der betroffenen Person beschäftigt ist über seine eigene Fachlichkeit und gewohnte Herangehensweise herausgefordert weitere, vielleicht bisher ungewohnte, Perspektiven mit- einzubeziehen und alle zu einer Person dazu- gehörenden Faktoren und deren Auswirkungen auf die Entwicklungsmöglichkeiten in den Blick zu nehmen. Gefordert wird ein „beidäugiges Sehen“, das dazu beitragen kann, die Span- nungsfelder zwischen Fähigkeiten/ Kompeten- zen/Ressourcen auf der einen und Begren- zungen/ Schwierigkeiten/Bedürfnissen auf der anderen Seite deutlich werden zu lassen - und zu gestalten. Damit wird auch der Blick sowohl auf erforderliche individuelle Hilfen (inklusive ggf. erforderlicher Hilfsmittel) als auch auf er- forderliche Anpassungen/ Veränderungen der Umwelt gelenkt.
Wie gleichberechtigte Teilhabe trotz unter- schiedlicher Ausgangslagen gelingen kann und was es dafür in der Kinder- und Jugendhilfe braucht, wird von Lydia Schönecker in ihrem Aufsatz „Inklusive Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe“ unter der Überschrift „Wie viel Gleichheit braucht es eigentlich? – Oder die Konstruktion von gleichberechtigter Teilhabe über bewusste Differenzierung“ betrachtet (Schön- ecker 2017). Bezüglich der Forderung nach einem einheitlichen Leistungstatbestand und der Überwindung von Kategorisierungen durch ein System für alle kommt sie zu dem Schluss: „Doch ich fürchte, der Grundgedanke von Inklusion würde grundlegend missverstanden, würde man ihn damit verbinden, dass sich auch nach dieser Eingangstür einfach alle ein freies Zimmer suchen könnten, da ohnehin überall das Gleiche zu bekommen ist. … Für die Herstellung gleichberech- tigter Teilhabe ist dementsprechend gerade eine differenzierte Wahrnehmung und Analyse der je eigenen Bedarfslagen sowohl in Voraussetzungen als auch benötigter Hilfe erforderlich. Diffe- renzierung ist insofern nicht diskriminierend, sondern Grundvoraussetzung, wenn der Anspruch auf Herstellung gleicher Teilhabe-Möglichkeiten ernst gemeint ist“ (Schönecker 2017, S. 474).
Sowohl bezüglich der gesetzlichen Rahmung und Umsetzung einer inklusiven Kinder- und Ju- gendhilfe als auch bezüglich der Nutzung und Umsetzung der ICF-CY im Konkreten sind noch viele Fragen offen. Die aktuellen Umsetzungserfahrungen sind regional sehr verschieden. Als Ausblick und Anknüpfungspunkt für die weiter zu führenden Diskussionen möchte ich mit einem Zitat aus einer Stellungnahme der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation zur „ICF-Nutzung bei der Bedarfsermittlung, Bedarfsfeststellung, Teilhabe- und Gesamtplanung …“ enden:
„Der im Gesetz verwendete Begriff des ´Instruments`, das auf der Grundlage der ICF Bedarfe identifiziert, ist deshalb dahingehend zu verstehen, dass dieses einen strukturierten, nachvoll- ziehbaren und in seinen Abläufen standardisierten Kommunikationsprozess (…) darstellt, der die Berücksichtigung aller Komponenten des der ICF zugrundeliegenden bio-psycho-sozialen Modells der WHO und deren Wechselwirkungen gewährleistet“ (DVfR 2017, 7).
Literatur
Pretis, Manfred (2017): Die ICF-CY - Ein Versuch einer Annäherung in Richtung praktischer
Umsetzung, Vortrag. Schwerte.
Kraus de Camargo, Olaf/ Hollenweger, Judith (Hrsg.) (2011): ICF-CY. Internationale Klas-
sifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen.
Huber
Kraus de Camargo, Olaf/ Hollenweger, Judith (Hrsg.) (2017): ICF-CY. Internationale Klassi-
fikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen. 2. Auflage, Hogrefe.
Kraus de Camargo, Olaf/ Simon, Liane (2015): Die ICF-CY in der Praxis. Huber
Schönecker, Lydia (2017): Inklusive Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe. Aufsatz in: Das Jugendamt Heft 10/2017, 470-475
Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (2017): Stellungnahme der DVfR „ICF-Nutzung bei
der Bedarfsermittlung, Bedarfsfeststellung, Teilhabe- und Gesamtplanung im Kontext des Geset- zes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bun- desteilhabegesetz - BTHG)“